Entwicklungsstufen

Der Leseerwerb ist ein komplexer Prozess, der im Kleinkindalter beginnt und sich über mehrere Jahre erstreckt.


Vorläuferfähigkeiten

• Phonologische Bewusstheit
• Arbeitsgedächtnis


Die Fähigkeit, Laute in Wörtern zu erkennen und zu manipulieren, ist eine wichtige Vorläuferfähigkeit für den Leseerwerb.
Das Arbeitsgedächtnis spielt eine wichtige Rolle beim Leseerwerb, da es Kindern ermöglicht, Informationen zu speichern und zu verarbeiten.


Prälateral-symbolische Stufe

• Bilderlesen
• Lesen von ikonischen Zeichen (Ikone weisen Ähnlichkeit mit Objekt auf)
• Lesen von Symbolen (Symbole weisen keinerlei Ähnlichkeit mit Objekt auf)


Auf dieser Stufe gelingt Kindern das Bilderlesen, das Lesen und Schreiben von ikonischen Zeichen sowie das Lesen von Symbolen. Schritte in Richtung Schrift sind das Malen von Bildern sowie das Kritzeln bzw. das Als-Ob-Schreiben und das Als-Ob-Vorlesen.


Logographemische Stufe

• Logographisches Lesen (Ausgebautes Symbollesen, Geschriebenes wird an Merkmalen erkannt)


Auf dieser Stufe erkennt das Kind visuelle Merkmale eines Wortes, einzelne Grapheme können benannt werden. Die Logographemische Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass das Kind Wörter mit Hilfe einzelner hervorstechender Merkmale erkennt. Gleichzeitig beginnt das Kind den eigenen Namen und andere ihnen wichtige Wörter zu malen. Auf der Logographemischen Stufe findet noch kein Lesen „im engeren Sinne“ statt. Bei DGS-orientierten Kindern und Jugendlichen (Gebärdensprache) gibt es farbig-kursiv hervorgehobene Konkretisierungen in der Arbeitshilfe.


Alphabetische Stufe

• Buchstabenkenntnis
• Laut-Buchstaben-Zuordnung
• Alphabetisches Lesen (Graphem-Phonem-Korrespondenz)
• Lautsynthese
• Wortlesen


Die Kenntnis von Buchstaben und ihren Lauten ist essentiell für den Leseerwerb. 

Die Fähigkeit, Laute in Wörter zu erkennen und die entsprechenden Buchstaben zu schreiben, ist ein wichtiger Schritt im Leseerwerb. 

Die Fähigkeit, Laute zu Wörtern zu kombinieren, ist ein weiterer Schritt im Leseerwerb. 

Die Fähigkeit, Wörter zu lesen und zu erkennen, ist ein wichtiger Meilenstein im Leseerwerb. 

Das Kind bemerkt auf dieser Stufe, dass die Anwendung der logographemischen Strategie häufig zu fehlerhaften Ergebnissen führt und beginnt deshalb Schritt für Schritt, sich die Graphem-Phonem-
Korrespondenzen zu erarbeiten - synthetisierendes Lesen wird möglich. Der graphomotorisch aktiv beherrschte Zeichenvorrat wächst. Beim Schreiben überwiegt die phonetische Schreibweise nach der Strategie „Schreib wie du sprichst“. Bei DGS-orientierten Kindern und Jugendlichen gibt es farbig-kursiv hervorgehobene Konkretisierungen in der Arbeitshilfe.


Orthographische Stufe

• Lesegeschwindigkeit
• Betonung und Intonation
• Orthographisches Lesen (Subsilbische Einheiten, Silben, Morpheme)
• Inhaltsverständnis


Die Fähigkeit, Texte flüssig zu lesen und die Fähigkeit, Texte mit angemessener Betonung und Intonation zu lesen, ist wichtig für das Verständnis von Texten. 

Die Fähigkeit, den Inhalt von Texten zu verstehen und zu interpretieren, ist wichtig für die Kommunikation. 

Auf der orthographischen Stufe werden bekannte Wörter durch Abruf aus dem Langzeitge-dächtnis direkt erkannt. Die Lesegeschwindigkeit nimmt zu. Das Lesen und Schreiben sind nun nicht mehr phonologisch, vielmehr wird die Morphemkonstanz beachtet. Unter Nutzung der orthographischen Strategie können so auch nicht-lautgetreue Wörter problemlos gelesen und geschrieben werden. Bei DGS-orientierten Kindern und Jugendlichen gibt es farbig-kursiv hervorgehobene Konkretisierungen in der Arbeitshilfe.


Integrativ-automatisierte Lesestufe


• Integrativ-automatisiertes Lesen
• Textanalyse


Die Fähigkeit, Texte zu analysieren und zu bewerten, ist wichtig für die kritische Auseinandersetzung mit Texten.


Auf dieser Stufe automatisiert und verfeinert das Kind seine ganzheitlichen Lese- und Schreibstrategien. Durch die Anwendung von Lesestrategien kann z. B. die Zugriffszeit auf das Lexikon extrem verkürzt werden, wodurch sich auch der Leseprozess beschleunigt. Durch die fortschreitende Automatisierung kann sich das Kind zunehmend semantischen und prosodischen Aspekten beim Lesen widmen. Beim Schreiben gewinnt der kommunikative Aspekt die tragende Bedeutung. Das Kind beachtet zunehmend Aspekte der Satz- und Textebene (z.B. Kommasetzung).


Übergänge:


Die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen sind fließend und Strategien, die in vorherigen Stufen im Zentrum der Entwicklung standen, können durchaus auch in darauffolgenden Stufen noch gelegentlich gezeigt werden. Genauso kann ein Kind ab und zu bereits eine Strategie aus einer späteren Stufe anwenden, ohne dass dies zwangsläufig heißt, dass das Kind diese Stufe bereits erreicht hat.


Faktoren, die den Leseerwerb beeinflussen:


• Genetische Faktoren
• Umweltfaktoren (lesefreundliche Umgebung, individuelle Förderung, Eltern-Kind-Lesebeziehung)
• Motivation (interessante und individuell angepasste Lesematerialien, Erfolgserlebnisse, Vorbilder)


Ein professionelles Lese-Konzept am Schulstandort ist ein bedeutsamer Faktor für den Leseerwerb.
„Stufenmodell der Entwicklung kindlicher Lese- und Schreibstrategien nach Günther“. Abgerufen
von URL:
https://www.uni-koeln.de/phil-fak/deutsch/pohl/ontogenese/PDFs/Sonja/Sonja%20HA2.pdf